Ganteförs Plan B vs. IPCC - Die Ozeane als CO₂-Senken
Von: Daniel, Matthias -https://youtu.be/KcRUiFSYhjw |
Inhaltsangabe
In unserem ersten Beitrag besprechen hier das Video Nummer 84 der Serie “Energie und Klima” des Kanals “Grenzen des Wissens” mit dem Titel “Was sagt der IPCC zur OZEANSENKE” von Prof. Ganteför.
Thema seines Videos ist wieder sein “Plan B für das Klima”, der verspricht, die Klimaziele erreichen zu können, ohne dass wir eine CO2 Neutralität bei den Emissionen erreichen müssen. Damit verspricht Prof. Ganteför weniger einschneidende Maßnahmen und Verbote.
Bevor wir Professor Ganteförs Argumente analysieren stellen wir sein Senkenmodell und das des IPCCs, was er Budgetmodell nennt, vor. Dabei wollen wir einen kurzen Überblick geben, warum der IPCC davon ausgeht, dass wir ein verbleibendes Kohlenstoffbudget haben, wenn wir eine vorgegebene Temperatur nicht überschreiten wollen.
Dann wenden wir uns Prof. Ganteförs Kritik an dem IPCC zu. Ein wesentlicher Punkt in seiner Argumentationskette ist, dass der IPCC die Land- und Ozeansenken, die kontinuierlich CO2 aus der Atmosphäre ziehen, nicht oder nicht richtig berücksichtigt werden. Während die Senken beim IPCC mittelfristig verschwinden, erfordert das Senkenmodell von Prof. Ganteför, dass sie dauerhaft etwa 50% unserer heutigen Emissionen aufnehmen.
Eine Grafik, die eine abnehmenden Senkenleistungen im IPCC projiziert, wird nach Prof. Ganteför Meinung nicht korrekt zitiert, Quellen seien nicht auffindbar. Ein Argument gegen den Verlauf hat Prof. Ganteför jedoch nicht. Wir stellen vor, woher die Daten kommen und diskutieren, wie transparent der IPCC an dieser Stelle ist.
Professor Ganteför versucht eine einzelne Studie zu deplausibilisieren. Dies macht er, da sie nicht im Einklang mit seinem Senkenmodell zu bringen ist und seiner Aussage nach die alleinige Grundlage des Budgetmodells sei. Wir stellen die Methodik dieser Studie im Groben vor und zeigen, wo Professor Ganteför sich irrt.
Zuletzt führt Professor Ganteför mit dem Revelle Faktor erstmals ein eigenes Argument für sein Senkenmodel an. Allerdings widerspricht er sich hier mehrfach in seinen eigenen Aussagen.
Am Ende unseres Videos führen wir unsere Ergebnisse auf. Wer knapp bei der Zeit ist, mag sich auf diese Zusammenfassung beschränken.
Budget- vs Senkenmodell
Inzwischen kennt jeder den Begriff Klimawandel. Die Aktionen der Menschheit auf der Erde greifen inzwischen so weit in die natürlichen Prozesse ein, dass sie unsere Umwelt verändern.
Ein gewaltiges Problem für unsere Zukunft werden die steigenden Temperaturen sein. Bereits heute steigen die Temperaturen in einem Affenzahn. Die Ursache für diesen Temperaturanstieg sind die Treibhausgase, die der Mensch in die Atmosphäre entlassen hat - und hierbei kennt man sehr wohl den Einfluss des Menschen sowie die natürlichen Einflüsse. Von dem menschengemachten CO2 entsteht das meiste bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas.
Aus diesem Grund schaut man sich dieses Gas so genau an.
Prof. Ganteförs Senkenmodell
Wir haben Prof. Ganteförs Meinung zur Klimaerwärmung schon kurz umrissen. Er schlägt vor, dass wir mittelfristig etwa die Hälfte der heutigen CO2 Emissionen ausstoßen dürfen, denn CO2 Senken würden dann unsere Emissionen vollständig aufnehmen. Hier sollten wir ihm kurz das Wort geben:
Videozitat: Vorstellung der beiden Modelle (01:00 - 02:28) |
Bevor wir uns dann Professor Ganteförs Argumente anhören, wollen wir kurz umreißen, wie der IPCC zu einem Kohlenstoff-Budget kommt.
Vorstellung Budgetmodell
Aus dem Pariser Abkommen von 20151 ergibt sich für die unterzeichnenden Staaten die Verpflichtung, die Erwärmung der Erde möglichst auf 1.5°C, aber deutlich unter 2°C zu begrenzen, um die negativen Folgen des dadurch zu erwartenden Klimawechsels zu begrenzen. Der Weltklimarat, also IPCC, sagt nun, dass die Menschheit nur noch ein verbleibendes Kohlenstoffbudget zur Verfügung hat, wenn wir diese Ziele nicht reißen wollen. Wir dürfen also maximal eine gewisse Menge CO2 emittieren.
Das verbleibende Budget ist nun so klein, dass es einschneidender Maßnahmen bedarf, um die Ziele im geplanten Zeitraum erreichen zu können. Dies mag unbequem und teuer sein, aber gerade die Abwägung zwischen dem Aufwand, klimaneutral zu werden und den ebenfalls unbequemen Folgen des Klimawandels sind die Ursache zahlreicher Debatten.
Professor Ganteför stellt das Kohlenstoffbudget zwar vor, er hat aber unseres Wissens nach noch in keinem seiner Videos erklärt, wie der IPCC darauf kommt. Daher wollen wir dies kurz übernehmen.
Budgetmodell - Version IPCC
Der IPCC behandelt das verbleibende Kohlenstoff-Budget ausführlich in Band 1 Kapitel 5.5 “Remaining Carbon Budgets” ab Seite 742. Das Kohlenstoff-Budget folgt laut IPCC im Wesentlichen aus zwei Eigenschaften:
TCRE - Transient Climate Response to Cumulative CO2 Emissions
Seitdem wir nennenswert CO2 emittieren, zeigt sich aus den Messungen der CO2 Emissionen ein nahezu linearer Zusammenhang zwischen der Gesamtmenge des vom Menschen emittierten CO2s und der Temperaturerhöhung. Auch für die nahe Zukunft sagen Klimamodelle diesen linearen Trend weiter voraus. Diese Proportionalität nennt man Transient Climate Response to Cumulative CO2 Emissions (TCRE).
IPCC AR6 WGI Fig. SPM.10 |
Aus der Graphik lässt sich auch ablesen, wie viel CO2 noch emittiert werden darf, wenn wir z.B. das 2 Grad Ziel einhalten wollen.
Eine bemerkenswerte Tatsache ist, dass es innerhalb dieser Emissionsszenarien ziemlich egal ist, wann und wie schnell das CO2 emittiert wird. Es kommt nur auf die kumulierte Menge an.
Mit anderen Worten - es gibt eine einfache Beziehung: Pro kg emittiertem CO2 gibt es eine feste Erhöhung der Temperatur.
Dies nennt man Pfadunabhängigkeit.
Prof. Ganteför zweifelt dies bereits an: Er sagt, dass wenn wir unsere Ausstöße auf die Hälfte reduzierten, würden die Ozeane und Landsenken weiter all unser CO2 aufnehmen. Offenbar geht er davon aus, dass dann aus dem nicht weiter steigenden CO2 Anteil in der Atmosphäre auch eine nicht weiter steigende Temperatur folgt. Anders macht sein Argument ja keinen Sinn.
ZEC - Zero Emissions Commitment
Die Modellrechnungen sagen voraus, dass die Senken zunächst tatsächlich weiter CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen, nachdem wir die CO2-Emissionen eingestellt haben. Dies sieht man auch in der Grafik 5.25a des IPCC, die auch Prof. Ganteför vorstellt:
IPCC AR6 WGI Fig. 5.25a |
Die blaue Kurve stellt den Verlauf des CO2 Anteils in der Atmosphäre für das SSP1-2.6 Szenarios dar, bei dem die CO2-Emissionen im Jahr 2050 eingestellt werden. Für dieses Szenario sieht man dann in Folge einen Rückgang der CO2 Konzentration aus der Atmosphäre.
Prof. Ganteför kann also hier schon nicht mehr behaupten, dass der IPCC keine Senken berücksichtigt, denn warum sollte der CO2 Anteil sonst fallen?
Also kühlt die Erde wieder ab weil die Senken der Atmosphäre CO2 entziehen, wie man hier in der Graphik sieht?
Leider nein, denn es gibt es einen zweiten Effekt, den Prof. Ganteför in seiner Videoserie bisher nicht erwähnt hat und der genau so wichtig ist, nämlich den Energieaustausch zwischen Atmosphäre und den Ozeanen:
Aktuell geht neben dem CO2 auch ein großer Anteil der Wärmeenergie, die die Erde absorbiert, in die Ozeane. Dies klappt, da die Ozeane noch kälter sind als die Atmosphäre. Allerdings erwärmen sie sich hierdurch langsam.
Hören wir auf zu emittieren, holen die Ozean-Temperaturen schließlich auf, so dass sie immer weniger Wärme aus der Atmosphäre absorbieren können. Die von der Sonne weiter eingestrahlte Wärme, die zuvor von den Ozeanen geschluckt wurde, verbleibt jetzt mehr in der Atmosphäre und trägt dazu bei, dass sich auch die Atmosphäre aufheizt.
Auf der einen Seite verbleibt wegen der reduzierten Kühlung der Ozeane dann mehr Wärme in der Atmosphäre, auf der anderen Seite nehmen die Ozeane weiter CO2 auf, so dass sich der Treibhauseffekt in der Atmosphäre reduziert.
Unterm Strich sind diese beiden Effekte etwa gleich stark und spielen sich auf ähnlichen Zeitskalen ab, weshalb die Temperatur in etwa konstant bleibt, wenn wir aufhören zu emittieren. Dies wird im IPCC mit “Zero Emissions Commitment” (ZEC)2 bezeichnet.
Wir fassen zusammen:
Das TCRE sagt uns, wie viel CO2 noch emittiert werden darf, um eine gewisse Temperatur nicht zu überschreiten. Das ZEC sagt uns, dass die globale Temperatur sich nicht mehr ändert, wenn wir aufhören zu emittieren. Mit dem 1.5 bzw. 2 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens lässt sich so ableiten, wie viel CO2 noch emittiert werden darf. Dies ist das Kohlenstoffbudget, das uns noch zur Verfügung steht.
Übereinstimmung des Senkenmodells mit dem IPCC
Nach seinen Aussagen stimmt das von Prof. Ganteför vorgestellte Modell mit dem IPCC überein. Was ist nun falsch am Plan B?
Er sagt, dass sein Modell mit den Aussagen des IPCC übereinstimmt und schränkt dann noch schnell ein “jedenfalls mit den Grundaussagen”. Weder begründet er das, noch sagt er, welchen Aussagen er möglicherweise widersprechen könnte. (01:40)
Es liegt nahe, dass Prof. Ganteför den ZEC nicht verstanden hat oder ihn bewusst ignoriert. Denn er übersetzt den beim IPCC genau definierten Begriff “zero emission commitment” (ZEC) bei (11:35) falsch mit Nullemissionsverpflichtung 3. Wir fragen uns, warum er ausgerechnet hier einen Übersetzungsdienst nutzt, wo er doch sonst alles selbst übersetzt.
Screenshot (11:35) |
Wenn er den ZEC nicht kennt, weiß er vermutlich auch nicht, dass und warum wir auf Null Emissionen runter müssen, um eine gewisse Temperatur zu halten. Sein Plan B soll ja die Hälfte unserer aktuellen Emissionen weiter ermöglichen. Der ZEC torpediert hier seinen Plan B, denn in diesem Falle würde sich der Planet ja weiter aufheizen.
Dies ist ein krasser Unterschied zum IPCC, der die Erwärmung stoppen möchte.
Außerdem nimmt Prof. Ganteför an, dass die Senken dauerhaft ihre heutige Senkenleistung beibehalten. Der IPCC sagt klar voraus, dass dies nicht der Fall ist - die Senken werden sich je nach Emissionsszenario rasch abschwächen.
Diesen Widerspruch sieht Prof. Ganteför vermutlich selbst, daher versucht er in seinem Video das Absinken der ozeanischen Senkenleistung streitig zu machen. Denn sobald die Senkenleistung abnimmt, würde sich unser Planet auch nach Ganteförs Plan B aufheizen - also muss die Senkenleistung unter allen Umständen erhalten bleiben.
Inwieweit man den Plan B dann noch mit “in Übereinstimmung mit den Aussagen des IPCC“ nennen darf, kann diskutiert werden.
Behauptung 1: Der IPCC berücksichtigt Senken nicht (korrekt)
Jetzt, wo wir gesehen haben, dass sich Ganteförs Plan B prinzipiell von den Aussagen des IPCCs unterscheidet, wollen wir uns Ganteförs Argumente anschauen.
Prof. Ganteför benötigt für seinen Plan B, dass die CO2 Senken dauerhaft erhalten bleiben. Dies findet er so natürlich nicht im IPCC Report und folgert wohl daraus, dass der IPCC die Senken nicht berücksichtigt. Zumindest deutet er es immer wieder an. Hier ein Beispiel.
"Was sagt denn der Assessment Report Nr 6 zu den Senken, Kommen die Senken im Budgetmodell mit den strikten Forderungen, kommen da die Senken überhaupt vor?" Videozitat (02:35 - 03:02) |
Wir haben die Berücksichtigung der Senken ja bereits beim ZEC besprochen, aber hier schauen wir noch auf ein paar zusätzliche Referenzen zum Thema Senken aus dem IPCC, um das Thema vom Tisch zu bekommen.
IPCC AR6 WGI Fig. SPM.7 |
Wenn man so durch den IPCC blättert, findet man in der Summary for Policymakers zum Thema Senken als erstes diese Graphik. Sie zeigt, wie viel des emittierten CO2 in den unterschiedlichen Emissions-Szenarien jeweils von der Atmosphäre, den Ozeanen oder den Landsenken bis zum Jahr 2100 aufgenommen wird. Zum Beispiel nehmen die Senken im strengsten IPCC Szenario ganze 70 Prozent unserer Emissionen auf. Im business-as-usual Szenario sinkt der Anteil schon auf 38 Prozent.
Im Hauptteil wird der IPCC sogar quantitativ und zeigt diese tolle Graphik:
IPCC AR6 WGI Fig. 5.33 |
Hier sieht man sehr illustrativ, wie die Senken aktuell etwa die Hälfte unserer Emissionen aufnehmen. Bis 2300 nehmen sie im SSP1-2.6 Szenario allerdings immer weniger CO2 auf. Auch dies widerlegt Prof. Ganteförs Aussage, dass der IPCC keine Senken berücksichtigt.
Im Fliesstext ist uns noch folgende Passage aufgefallen, in der sehr präsent über die Rolle der Senken nach Ende der Emissionen gesprochen wird (Hervorhebungen durch uns):
AR6 WG1 S. 631: 4.7.1.1 Climate Change Following Zero Emissions
…
Here we draw on new simulations to provide an assessment of ZEC using multiple ESMs (Jones et al., 2019) and EMICs (MacDougall et al., 2020). Figure 4.39 shows results from 20 models that simulate the evolution of CO2 and the GSAT response following cessation of CO2 emissions for an experiment where 1000 PgC is emitted during a 1% per year CO2 increase. All simulations show a strong reduction in atmospheric CO2 concentration following cessation of CO2 emissions in agreement with previous studies and basic theory that natural carbon sinks will persist. Therefore, there is very high confidence that atmospheric CO2 concentrations would decline for decades if CO2 emissions cease. Temperature evolution in the 100 years following cessation of emissions varies by model and across time scales, with some models showing declining temperature, others having ZEC close to zero, and others showing continued warming following cessation of emissions (Figure 4.39). The GSAT response depends on the balance of carbon sinks and ocean heat uptake (MacDougall et al., 2020). The 20-year average GSAT change 50 years after the cessation of emissions (ZEC50) is summarized in Table 4.8. The mean value of ZEC50 is –0.079°C, with 5–95% range –0.34°C–0.28°C. There is no strong relationship between ZEC50 and modelled climate sensitivity (neither ECS nor TCR; MacDougall et al., 2020). It is therefore likely that the absolute magnitude of ZEC50 is less than 0.3°C, but we assess low confidence in the sign of ZEC on 50-year time scales. This is small compared with natural variability in GSAT.(Hervorhebung durch uns)
Der IPCC sagt dort, dass in Übereinstimmung mit vielen Studien, dass die Senken zwar bestehen bleiben, (…) dass ihr Effekt aber auf einer Zeitskala von 50 Jahren klein gegenüber den natürlichen Schwankungen der mittleren globalen Temperatur sei.
Sein Vorwurf, dass der IPCC die Senken nicht berücksichtigt, ist also nicht haltbar. Wie er selbst vorhin sagte, ist das schonmal ein harter Schlag gegen sein Senkenmodell.
Abnehmende Senkenleistungen sind nicht plausibel
Prof. Ganteför beginnt nun die Informationen im IPCC, die eine absinkende Senkenleistung andeuten, direkt anzugreifen.
Der IPCC zeigt in seiner Graphik 5.25, dass die Senkenleistung bis 2100 stark abfällt, wenn wir unsere Emissionen auf netto null reduzieren (blaues Szenario). Was sagt Ganteför dazu?
Prof. Ganteför gibt sich verwundert, dass ausgerechnet im Szenario der stärksten CO2 Reduktionen auch die Senken weniger CO2 aufnehmen.
Seine Verwunderung überrascht uns nicht: Denn er sagt bei (07:25) ja, dass wenn dies stimmen sollte, sein Senkenmodell kippt.
Daher muss er nun Argumente gegen den Verlauf dieser Kurve finden um sein Senkenmodell zu retten.
Wir wollen verdeutlichen, warum der von ihm angezweifelte Verlauf sogar sehr plausibel ist.
IPCC AR6 WGI Fig.5.25 a, b, c, e |
Die Ozean-Senkenleistung, oben rechts in Fig 5.25, ist die Rate mit der das CO2 pro Jahr in den Ozean aufgenommen wird. Durch sie wird also die im Ozean gespeicherte Menge an CO2 geändert. Dies sieht man unten rechts im Bild. Die Senkenleistung oben ist die Steigung der Gesamtmenge unten. Dies erklärt, warum eine abnehmende Senkenleistung oben im Bild zu einem langsamen Anwachsen der Gesamtmenge unten im Bild führt.
Die Ozeane entziehen der Atmosphäre über ihre Oberfläche stetig CO2, solange beide noch nicht in einem Gleichgewicht sind. Das läuft ähnlich ab wie bei der Wärme, die in den Ozean fließt, solange dieser noch kälter ist.
In der blauen Kurve der Senkenleistung reduzieren wir unsere Emissionen am schnellsten. Da der Ozean weiter CO2 aufnimmt, senkt er die CO2 Konzentration in der Atmosphäre. Ozean und Atmosphäre nähern sich also immer weiter dem CO2-Gleichgewicht an. Die Ursache für den Ausgleich - der Unterschied zwischen den sog. CO2-Partialdrücken - nimmt also laufend ab. Daher nimmt auch die Rate ab, mit der der Ausgleich vonstatten geht. Die Senkenleistung wird kleiner, bis sie nach Erreichen des Gleichgewichts schließlich ganz verschwindet.
Der IPCC schreibt dazu kurz, aber korrekt, dass die Reduktion der Senkenleistung eine Folge der reduzierten Emissionen ist.
“In high mitigation scenarios (SSP1-2.6), weakening ocean carbon uptake is driven by decreasing emissions (Cross-Chapter Box 5.3).” (Seite 723)
Prof. Ganteför macht sich über diese Aussage des IPCCs lustig und behauptet, dies bedeute, dass der Ozean wüsste, was wir ausstoßen.
Der Ozean muss nicht im Voraus wissen, was wir ausstoßen werden. Der Ozean reagiert auf die Differenz der CO2 Partialdrücke. Seine Senkenleistung folgt laufend genau dieser Differenz.
Fig 5.25 hat keine Quellen
Mit Figur 5.25 hat Prof. Ganteför also eine Graphik, die er entweder nicht versteht oder nicht gebrauchen kann. Zumindest widerlegt sie seinen Plan B, das Senkenmodell. Also liegt es nahe, wie es im Video weitergeht: Er zweifelt die Grafik an.
Interessanterweise behauptet er nicht wie bei seinem vorherigen Video, dass die Modellrechnungen nicht vertrauenswürdig sind, sondern behauptet stattdessen, dass Fig. 5.25 nicht zitiert ist.
Wir zeigen hier zur Transparenz die Ausführungen von Prof. Ganteför zu diesem Thema. Um etwas Zeit zu sparen, haben wir seine Beiträge etwas gekürzt. Nach bestem Gewissen haben wir dabei aber nichts am Sinn verändert. Das Original findet sich in seinem Video ab (17:40).
Was daraus ist jetzt wichtig:
- Er behauptet der Weltklimarat hat die Figur 5.25 nicht korrekt zitiert
- Er unterstellt dem Weltklimarat mangelhaftes wissenschaftliches Arbeiten
- Er behauptet, dass er den Haupttext gelesen hätte
Zugegeben, wir waren beim ersten Anschauen dieses Videos auch etwas verdutzt. Aber man darf eben Prof. Ganteför nicht nur zuhören, man muss den IPCC wirklich lesen, um seine vielen Fehler aufzudecken.
Wenn Prof. Ganteför den Haupttext wirklich gelesen hätte, wäre ihm aufgefallen, dass es in Fig. 5.25 um Modellrechnungen sogenannter earth-system-models (ESM) geht, wie es auch ausdrücklich in der Bildunterschrift steht.
Schauen wir uns mal den Kontext an, in dem diese Grafik beim IPCC verwendet wird. Das Kapitel 5.4.5 “Carbon Cycle Projections in Earth System Models”, aus dem diese Fig. 5.25 kommt, ist wie folgt aufgebaut.
- Zunächst werden in Tabelle 5.4 alle relevanten Modelle gelistet, sie werden CMIP6 genannt.
- In Fig. 5.22, zu der Ganteför später noch Quellenangaben findet, werden die Modelle plausibilisiert. Ganteför hat also die Quellen der CMIP6 Daten in seinem Video selbst gezeigt.
- In Fig. 5.23 werden die CMIP6 Ergebnisse für die von den Senken jemals aufgenommenen Mengen an CO2 dargestellt.
- In 5.24 wird die jährliche Senkenleistung nach Breitengrad, basierend auf den CMIP6 Modellen vorgestellt.
- Schließlich, in Fig. 5.25 werden die Ergebnisse der CMIP6 Daten u.a. für Ganteförs Senkenleistung gezeigt. Dort steht selbst im Bildtitel, dass es um die CMIP6 ESM Modelle geht:
“Modelled evolution of the global land and ocean carbon sinks for 1900 to 2100 in concentration-driven CMIP6 Earth system model (ESM) scenario runs.”
Es sind also jeweils die gleichen Modelle und Prof. Ganteför hat die Quellen selbst in seinem Video gezeigt. Aus dem Kontext des Haupttextes wird klar, dass die Quellen von Fig. 5.22 bis Fig. 5.25 identisch sind.
War das jetzt Zufall, dass wir das herausgefunden haben oder hätte da Prof. Ganteför selbst drauf kommen können?
Bereits im ersten Satz des Unterkapitels steht, dass dieses Kapitel Ergebnisse der ESM-Simulationen vorstellt. Und dies steht auch in der Einleitung des gesamten Kapitels 5, könnt ihr gerne hier nachlesen:
“Section 5.4 covers the future projections of biogeochemical cycles and their feedbacks to the climate system fully utilizing the database of the concentration-driven CMIP6.“
Auch im Kapitel 1 “Framing, Context and Methods” steht unter dem Abschnitt “Climate Models” ein Verweis auf den Anhang II (Seite 215).
“References to all the CMIP6 datasets used in the report are found in Annex II, Table AII.10.“
(Seite 224)
In diesem Anhang stehen die gleichen Quellen noch einmal. Sogar mit Details zu den einzelnen CMIP6 Modellen.
Von einem Professor, der gelernt hat, mit der Suchfunktion umzugehen, erwarte ich, dass er in einem einzigen PDFs solche Stellen findet. Oder dass er wenigstens ein einzelnes Kapitel komplett lesen kann. Und wenn er es schon nicht liest, sollte er wenigstens nicht behaupten, er hätte den Haupttext gelesen.
An Prof. Ganteförs Aussagen, dass die Herkunft der Daten verschleiert wäre, ist also gar nichts dran. Der einzige Schönheitsfehler ist, wenn man einen finden möchte, dass der IPCC nicht bei allen Grafiken des Kapitels 5.4.5. immer wieder die gleichen Referenzen aufs Neue gelistet hat.
Behauptung 2: Die McKinley Studie ist das einzige Fundament des Budget Modells und dessen Auswertung ist nicht nachvollziehbar (28:44)
Prof. Ganteför findet auf seiner Suche nach den angeblich fehlenden Quellen von Fig. 5.25 ja eine Studie von McKinley, die einen Zusammenhang zwischen unseren CO2-Emissionen und der gemessenen ozeanischen Senkenleistung herstellt. (McKinley et. al, 2020)
Dazu untersucht sie einen Zeitraum um 1990, wo der atmosphärische und der ozeanische Partialdruck abgefallen war. Diese beiden Verläufe kann sie in Zusammenhang stellen, wenn zusätzlich ein Vulkanausbruch um 1991 berücksichtigt wird.
McKinley folgert, dass die Ozeansenke sofort weniger CO2 aufnehmen wird, sobald wir unsere Emissionen reduzieren.
Für Ganteförs Plan B wäre dies daher fatal, denn er möchte die CO2 Emissionen um 50% reduzieren, ohne dass sich die Senkenleistung verändert. Und dies gibt er auch zu:
"Sie [McKinley] hat eine interessante, für mich verblüffende, Theorie aufgestellt, die, wäre sie richtig, unser Senkenmodell tatsächlich zu Fall bringt." Videozitat (29:28 - 29:37) |
McKinley beruht auf falschen Annahmen
Um die Ergebnisse von McKinley zu kritisieren, versucht Prof. Ganteför die Argumentation und die Voraussetzungen der Studie anzugreifen. Dazu wird er zunächst versuchen zu zeigen, dass es um 1990 gar keine Auffälligkeiten gab. Denn ohne reduzierte Senkenleistungen oder CO2-Wachstumsraten hätte es ja nichts gegeben, was McKinley hätte untersuchen können.
(39:30) McKinley 2020, Figure 3 (Hervorhebung durch uns) |
In McKinleys Graphik sieht man bereits, dass es um 1990 ein besonderes Verhalten gegeben hab muss. Wir haben die beiden relevanten Kurven farblich etwas hervorgehoben. Die obere schwarze repräsentiert gemessene Partialdrücke der Atmosphäre, die untere steht für gemessene Partialdrücke des Ozeans. Wir diskutieren den Verlauf später etwas genauer, aber hier fällt bereits auf, dass sich beide Kurven ähnlich verhalten und um 1990 etwas vorgefallen sein muss.
Tatsächlich findet McKinley eine Quelle dafür, dass um 1990 die menschengemachten Emissionen reduziert waren.4 Die Frage die wir uns stellen ist, ob die blaue Kurve von der schwarzen beeinflusst wird. Und McKinley geht genau dieser Frage nach.
Professor Ganteför hätte nun McKinley einfach glauben können, dass die Senkenleistung um 1990 reduziert war, wie sie es auch in ihrer Graphik 1a zeigen.
Diese Grafik stellt er seinen Zuschauern allerdings nicht vor. Stattdessen gibt er sich bei (30:05) verwundert und verwendet dann eigene Grafiken, was erstmal sein gutes Recht ist.
Nun schauen wir mal, was Professor Ganteför zur Ozean-Senkenleistung herausfindet.
“[…] Das sind die kumulativen Kohlenstoffmengen, die im Ozean versunken sind, zwischen 1850 bis 2000. Geht immer nur hoch. Da ist nichts mit reduced.” (30:30 - 30:40) |
Mit dieser Analyse begeht er gleich mehrere Fehler oder versucht den Zuschauer auf die falsche Fährte zu führen.
Diese Abbildung ist für die Beurteilung der reduzierten Senkenleistung um 1990 völlig ungeeignet, weil sie erst einmal wieder kumulierte Werte zeigt und die interessierende Senkenleistung dann an der Steigung abgelesen werden muss.
Außerdem umfasst die Graphik einen viel zu großen Zeitraum - hier kann man den Knick um 1990 gar nicht sehen.
Also ist seine Aussage “geht immer nur hoch, da ist nichts mit reduced” nur eine billige Ablenkung der Zuschauer.
Die Gesamtmenge des jemals aufgenommenen CO2s kann ja nur hoch gehen, es sei denn die Ozeane gasen das CO2 wieder aus! Und dies weiß er selbst, denn kurz nach diesem Abschnitt erwähnt er sogar selbst, dass die Senkenleistung eigentlich die Steigung in der gezeigten Grafik ist.
Warum hat er also seine Aussage “geht immer nur hoch” getroffen?
Was ist mit den nächsten Graphiken, die Ganteför zeigt? Prof. Ganteför sagt, dort ist auch keine Reduktion der Senkenleistung zu sehen.
Das ist richtig, er zeigt im Folgenden vier weitere Grafiken, die den historischen Verlauf der Ozeansenke zeigen.
Videozitat (31:01 - 35:55) |
Dieser Teil des Videos Ist für uns sehr unverständlich. Er betrachtet zwar die Entwicklung der Senkenleistung der Ozeane in höherer Zeitauflösung, aber uns ist nicht klar, ob er dort nach einer dauerhaft abfallenden Kurve sucht oder ob er die kurzfristige Reduktion um 1990 nicht sehen will. Seine Formulierungen schwanken da hin und her.
Jedenfalls sagt er, dass er die Aussage von McKinley nicht nachvollziehen kann.
Schließlich gibt er aber in der fünften und letzten Graphik dann doch zu, dass die Senkenleistung um 1990 reduziert war.
Und McKinley hat ja genau nur dieses Phänomen untersucht.
"Also es gibt tatsächlich eine Zeitskala, [...], da hat sich die Senkenleistung der Ozeane, sichtbar in fast allen Papers hier, oder in vielen Papers, abgeschwächt." Videozitat (33:45) |
Wenn er jetzt auf der fünften Graphik zugibt, dass es um 1990 also doch eine reduzierte Senkenleistung gab, fragen wir uns, warum er auf den ersten vier Graphiken Zweifel säen wollte: Wir erinnern uns: “Da ist nichts mit reduced”.
Nun muss er sich der möglichen Ursache der reduzierten Senkenleistung widmen: Der Reduktion der CO2-Wachstumsrate in den 90ern. Der aufmerksame Zuschauer wird während Professor Ganteförs Ausführung erkennen, was wieder falsch läuft.
Auflösung: Er zeigt schon wieder eine kumulative Grafik - nicht die relevante Wachstumsrate des atomosphärischen CO2s.
Was man hier stattdessen hätte machen können, wollen wir kurz verdeutlichen. Da die Frage ist, ob es eine reduzierte Wachstumsrate um 1990 gegeben hat, welche Daten sollte man sich dann ankucken?
Etwa eine Graphik zu Wachstumsraten?
Bingo! Auf der gleichen Seite https://gml.noaa.gov/ccgg/trends/mlo.html von der Ganteför die Mauna Loa Kurve bezogen hat, gibt es auch diese Daten. Hier halten wir mal beide Kurven nebeneinander
CO2 Anteil kumulativ https://gml.noaa.gov/ccgg/trends/mlo.html | Jährliche CO2 Änderungsrate https://gml.noaa.gov/ccgg/trends/gr.html |
Man sieht rechts deutlich, dass der CO2 Zuwachs um 1990 in der Atmosphäre stark reduziert war. Auf der linken Seite ließe sich dies prinzipiell erahnen, aber wir verstehen nicht, warum Prof. Ganteför nicht einfach die rechte Graphik herangezogen hat.
Die Voraussetzung des Papers ist also gerechtfertigt: 1990 gab es ein reduziertes Wachstum von atmosphärischem CO2 - was man hier in der Graphik sieht - und es gab auch eine reduzierte Senkenleistung, die wir uns zuvor angesehen haben.
Nun untersucht McKinley, ob dieser Zusammenhang physikalisch erklärt werden kann.
McKinley hat eine unplausible Methodik (37:30)
Hängt das wirklich zusammen? Prof. Ganteför will ja die Probleme der Auswertung zeigen. Angeblich nimmt das Paper an, dass CO2 linear anwächst, obwohl jeder weiß, dass es exponentiell wächst. Hier, das Video:
Was uns vor allem platt macht ist, dass Prof. Ganteför Aussagen über diese Studie trifft, ohne sie offensichtlich gelesen zu haben, denn sie arbeiten in ihrer Auswertung nicht mit einem linearen Detrend. Es dauert keine 5 Minuten das ganze Kapitel ‘Methods’ zu lesen.
Erklärung des Modells, McKinley 2020, Seite 3 |
Dort steht explizit, dass sie die Unterschiede der gemessenen Partialdrücke verwenden. Es steht nirgends, dass ein lineares Wachstum angenommen wird, der lineare Detrend wurde also nur zur Veranschaulichung in der einen Graphik verwendet, die Ganteför gezeigt hat.
Erklärung Detrend, McKinley 2020, Seite 2 f. |
McKinley erklärt dem Leser sogar, warum die Senkenleistung so stark von unseren Emissionen abhängt. Die entscheidenden Unterschiede der Partialdrücke sind nur wenige mikro-Atmosphären. Kleine Änderungen unserer Emissionen bewirken also leicht eine merkliche Veränderung des Partialdruck-Unterschieds und haben somit einen Einfluss auf die Senkenleistung.
Ein kleiner Zusatz für die Experten unter den Lesern: Der lineare Detrend ist ziemlich clever. Natürlich hätte man auch einen exponentiellen Detrend machen können. Dieser hätte aber den Nachteil, dass die Form der Fluktuationen verzerrt würde. Bei einem linearen Detrend verändert sich die Steigung der beiden Kurven nur um eine additive Konstante. Wo es also plötzlich steil herunter geht, hat sich das Wachstum stark verändert
Nagut, aber Professor Ganteför sagt ja auch, dass das Modell nichts taugt. Er sagt, es gibt keinen physikalischen Mechanismus, der zu dem Modell passt.
Videozitat (40:22) |
Ganteför sagt also, die Senkenleistung hinge bei McKinley von der zweiten Ableitung der Veränderung der Partialdrücke ab. Werfen wir nochmals einen Blick in das Paper.
$${dDIC \over dt} = {\nu \over V} (DIC_{deep} −DIC) − {k_w S_o ρ \over dz} (pCO_2^{ocean} − pCO_2^{atmosphere})$$Also wir sehen da keine zweite Ableitung. Auf der linken Seite der Gleichung steht die zeitliche Änderung des im oberen Ozean gelösten Kohlenstoffs. Auf der rechten Seite steht rechts die Differenz der Partialdrücke, also die Senkenleistung des Ozeans.
In einfacher Sprache steht hier: Das CO2 im oberen Ozean nimmt ab, wenn etwas in Richtung Tiefsee transportiert wird und es nimmt zu, wenn etwas aus Atmosphäre aufgenommen wird.
Wichtig aber, hier gibt es keine zweiten Ableitungen, wie Prof. Ganteför behauptet. Uns ist unklar, wie er sich hier so stark irren konnte.
Ein sehr ähnliches Modell wird in der Studie von Landschützer verwendet, die Professor Ganteför bei (34:30) zeigt. Dort meinte Ganteför noch, dass Landschützer gute Physik macht:
$${F_{CO_2} = k_w S_{CO_2} (1- f_{ice}) (pCO_2 - pCO_2^{atm})}$$Die Senkenleistung wird hier zwar F wie Flux genannt, aber sie hängt auch in diesem Paper von den Unterschieden der Partialdrücke ab. Wie im McKinley Paper. Und sie zitieren einige andere Papers, die dieses gleiche Modell verwenden.
Spannend ist auch, dass selbst Professor Ganteför 9 Minuten früher noch motiviert hat, dass die Senkenleistung vom Partialdruck in der Atmosphäre abhängt.
"und das ist das Henry Gesetz. Wenn der Partialdruck in der Atmosphäre steigt, sollte die Senkenleistung zunehmen." Videozitat (31:20) |
Hier liegt Professor Ganteför fast richtig - er erwähnt den Partialdruck im Ozean nicht, aber wir wollen nicht so pingelig sein. So wie die Senkenleistung steigt, wenn sich der Partialdruck in der Atmosphäre erhöht, sinkt die Senkenleistung aber auch, wenn der Partialdruck in der Atmosphäre abnimmt. Und genau das passiert bei stark reduzierten Emissionen.
Andere Studien widersprechen McKinley
Aber andere Studien kommen zu dem Schluss, dass ein Vulkanausbruch und Meeresströmungen Schuld an der reduzierten Senkenleistung sind.
Screnshot (41:50) |
Die von Prof. Ganteför gezeigte Studie betrachtet nur den Südlichen Ozean.
(Gruber et al. 2019) https://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev-marine-121916-063407
Hier hat der erwähnte Vulkanausbruch wohl wirklich eine große Rolle gespielt. Dieses Argument führt allerdings ins Leere, denn diese Studie sagt nicht aus, dass die globale Senkenleistung durch den Vulkan erklärt werden kann - es geht hier nur um den südlichen Ozean.
McKinley, die den globalen Verlauf der Ozean-Senkenleistung untersucht, hat den Vulkanausbruch ebenfalls berücksichtigt und schreibt, dass nur unser Emissionsverhalten zusammen mit dem Vulkanausbruch die beobachtete Senkenleistung in diesem Zeitraum erklärt.
Professor Ganteför behauptet schließlich noch, dass das Paper von McKinley das einzige ist, das einen Zusammenhang von unseren Emissionen mit der Senkenleistung herstellt.
und zuvor hatte er auch gesagt
"Wir haben jetzt eine Basis des Budgetmodells das nur ein einziges Paper ist." (36:20) |
Dieses eine Paper soll jetzt sogar die alleinige Basis des Budgetmodells sein. Dies ist auf so vielen Ebenen falsch, dass wir Stichpunkte machen müssen.
- Das von ihm kritisierte Paper ist von 2020. Wäre korrekt, was er sagt, hätte es vor dieser Studie kein Budgetmodell geben dürfen. Das Pariser Klimaabkommen ist von 2015.
- McKinleys Studie ist kein ‘Außenseiter’. Sie wird 50 mal zitiert und wir haben darunter keine inhaltliche Kritik gefunden.
- Wie wir anfangs gesehen haben, ist die Basis des Budgetmodells der TCRE und das ZEC. Und diese werden von hunderten Studien untersucht.
- Es gibt einen wissenschaftlichen Konsens zur abnehmenden Senkenleistung des Ozeans nach Emissionsstopp. Anders könnte man den ZEC gar nicht berechnen, also wie viel es wärmer wird, wenn wir aufhörten zu emittieren. In allen Studien, die wir gesichtet haben, nimmt die Ozean-Senkenleistung nach dem Stopp der Emissionen rasch ab.
Eine dieser Studien haben wir hier herausgepickt. Dort wird untersucht, was passiert, wenn wir schlagartig die Emissionen stoppen. Wie man in dieser Grafik rechts sieht, nimmt die Ozean-Senkenleistung schlagartig ab. Sie halbiert sich nach etwa 25 Jahren.
Ehlert 2017 - Fig. 1d |
Diese Graphik alleine widerlegt Professor Ganteförs Senkenmodell. Und nein Prof. Ganteför, um das Budgetmodell zu widerlegen, genügt es nicht, nur diese Graphik anzuzweifeln oder die zugehörige Studie zu kritisieren. Man müsste jede einzelne Studie zerlegen, die das Zero Emission Commitment berechnet.
Behauptung 3: Der Revelle Faktor zeigt, dass die Ozean-Senkenleistung nur 15% abnimmt
Nach 47 Minuten kommt Herr Ganteför jetzt auf den Revelle Faktor zu sprechen, den er jetzt auf einmal als den relevanten Faktor für seine Senkenleistung klassifiziert. Tatsächlich ist es Ganteförs einziges Argument für ein quantitatives Verhalten der Senkenleistung. Alle bisherigen Argumente waren ja nur gegen existierende Resultate. Schauen wir ihn uns also einmal an.
Laut spektrum.de5 beschreibt der Revelle Faktor das Ausmaß, in dem der Ozean CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Er berücksichtigt dabei auch andere Kohlenstoffverbindungen im Ozean sowie die Temperatur.
Über den Revelle Faktor könnte man ein eigenes Video machen - vielleicht macht das Prof. Ganteför ja noch. Wichtig ist hier erstmal, dass je höher der Revelle Faktor ist, desto schlechter kann der Ozean überhaupt CO2 aufnehmen. Wie viel er dann wirklich jährlich aufnimmt, also wie hoch die Senkenleistung ist, hängt neben dem Revelle Faktor aber noch von den Partialdrücken ab. Sehen wir einmal, was Prof. Ganteför sagt.
"Also das ist nicht die Senkenleistung, sondern nur die Fähigkeit, auf erhöhte Partialdrücke zu reagieren." Videozitat (51:00) |
Und was ist dann daran falsch?
Bisher noch nichts. Prof. Ganteför stimmt offenbar unserer vorherigen Definition überein, er erwähnt mehrfach, dass der Revelle Faktor eben nicht die Senkenleistung ist.
Aber schon auf der nächsten Folie sagt er plötzlich
"Eine Modellrechnung des Revelle Faktors bis 2100 zeigt im schwächsten Szenario, dass sich die Senkenleistung nur um 10-15% abgeschwächt." Videozitat [52:50] |
Damit widerspricht sich Prof. Ganteför selbst.
Hier endet die Schwammigkeit seiner Argumentation aber noch nicht. Für das Verhalten des Revelle Faktors verwendet er die Kurve einer Modellrechnung, welche zum RCP-2.6 Szenario aus dem Assessment Report 5 gehört. In diesem Szenario wurde angenommen, dass wir unsere Emissionen rapide senken - es war das 1.5 Grad Ziel, als es noch möglich war.
IPCC AR5 Fig. TS.19 |
Dies ist natürlich unzulässig - er bräuchte eine Modellrechnung für sein Senken Modell. Er verwendet hier Daten aus einem Szenario, in dem die Ozeane maximal geschützt werden, um zu zeigen, dass auch in seinem Szenario, also bei dauerhaft gleichbleibenden Emissionen, die Ozeane weiterhin als Senke fungieren werden. Dies ist schlicht unzulässig.
Es ist, als ob ich beweisen möchte, dass ich auf dem Motorrad einen Aufprall mit 100 km/h an einer Mauer überleben kann und für meinen Beweis verwende ich eine Modellrechnung eines 10 km/h fahrenden LKWs.
Er kann nicht einerseits das RCP-2.6 Szenario wählen und dann annehmen, dass Partialdrücke gleich bleiben, er widerspricht sich damit wieder selbst.
Fazit
Folgende Ergebnisse haben wir in unserem Science Check erzielt
- Das Budgetmodell beruht auf zwei in der Fachwelt anerkannten Prinzipien. Dem TCRE und dem ZEC. Aus diesen beiden Eigenschaften folgt ein CO2-Budget, das uns bis zum Erreichen einer Zieltemperatur zur Verfügung steht und die Notwendigkeit, die Emissionen nach Erreichen der Zieltemperatur zu stoppen.
- Die beanstandete Grafik 5.25. des IPCC hat keine unbekannten Quellen - sie entsteht aus den aufgelisteten Earth System Modellen. Einzig der Verweis auf das Supplementary Material war an der Stelle nicht ganz sauber. Aber aus dem Kapitel-Zusammenhang wird sehr schnell klar, was die Quellen dort waren. Insofern klassifizieren wir dies als Schönheitsfehler.
- Die Analyse der Studie von McKinley durch Prof. Ganteför ist mangelhaft. Die Studie ist in Fachkreisen anerkannt. Die von Prof. Ganteför unterstellte Aussage wurde von der Studie so gar nicht untersucht. Sie untersuchte einen Teilaspekt der CO2-Aufnahme in den oberen Ozean. Wie man an den in der Studie verwendeten Modellen ablesen kann, war der Mechanismus der Ozeansenke bereits vor der Studie in der Fachwelt bekannt und nicht erst das Ergebnis dieser einen Studie.
- Der Revelle-Faktor (alleine) erklärt keine Senkenleistung. Prof. Ganteför sagt dies selbst auch, setzt die beiden dann aber doch gleich. Damit widerspricht er sich selbst.
- Andere Erklärungen für eine konstante Senkenleistung der Ozeane wurden nicht gegeben.
Eine verbleibende, nennenswerte Senkenleistung der Ozeane, die laut Prof. Ganteför eine wesentliche Voraussetzung seines Senkenmodells ist, bleibt in diesem Video ohne wissenschaftliche Erklärung.
Wir haben hiermit Prof. Ganteförs Argumente seines Videos #84, sowie die Quellen, die er uns darin geliefert hat, geprüft. Unser Fazit ist, dass sein Senkenmodell unbegründet ist und gegenüber der Studienlage des IPCCs doch eher verblasst.
Quellen
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Ehlert, Dana, Kirsten Zickfeld (2017), What determines the warming commitment after cessation of CO2 emissions?, Environ. Res. Lett. 12 015002 DOI 10.1088/1748-9326/aa564a
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Gruber, Nicolas, Peter Landschutzer, Nicole S. Lovenduski (2019), The Variable Southern Ocean Carbon Sink, https://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev-marine-121916-063407
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IPCC, 2013: Climate Change 2013: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Stocker, T.F., D. Qin, G.-K. Plattner, M. Tignor, S.K. Allen, J. Boschung, A. Nauels, Y. Xia, V. Bex and P.M. Midgley (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 1535 pp. Full Report
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IPCC, 2021: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, A. Pirani, S.L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M.I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T.K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu, and B. Zhou (eds.)]. Cambridge University Press, Cambridge, United Kingdom and New York, NY, USA, 2391 pp. doi:10.1017/9781009157896.
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Landschützer, P., N. Gruber, and D. C. E. Bakker (2016), Decadal variations and trends of the global ocean carbon sink, Global Biogeochem. Cycles, 30, 1396–1417, doi:10.1002/2015GB005359.
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McKinley, G.A., A.R. Fay, Y.A. Eddebbar, L. Gloege, and N.S. Lovenduski, 2020: External Forcing Explains Recent Decadal Variability of the Ocean Carbon Sink. AGU Advances, 1(2), e2019AV000149, doi:10.1029/2019av000149
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YouTube: Grenzen des Wissens - Was sagt der IPCC zur OZEANSENKE | #84. Energie und Klima https://youtu.be/1DA-8S1p_o4
Versionshistorie
Datum | Version | Bemerkung |
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24.09.2023 | 1.0.1 | Fussnote zum ZEC 2 mit der Referenz zum Kapitel im IPCC AR6 nachgetragen |
22.09.2023 | 1.0.0 | Initiale Fassung |
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Artikel 2 Absatz 1a, Paris Agreement auf Seite 2:
“Holding the increase in the global average temperature to well below 2 °C above pre-industrial levels and pursuing efforts to limit the temperature increase to 1.5 °C above pre-industrial levels, recognizing that this would significantly reduce the risks and impacts of climate change;”
Gefunden in: https://unfccc.int/files/meetings/paris_nov_2015/application/pdf/paris_agreement_english_.pdf ↩︎ -
AR6 WG1 S. 752: 5.5.2.2.4 Adjustments due to the zero emissions commitment
Use of TCRE for estimating remaining carbon budgets needs to consider the zero emissions commitment (ZEC), the potential additional warming after a complete cessation of net CO2 emissions. Based on the ZEC assessment presented in Section 4.7.1.1, the ZEC’s central value is taken to be zero with a likely range of ±0.19°C, noting that it might either increase or decrease after half a century. ZEC uncertainty is assessed for a time frame of half a century, as this most appropriately reflects the time between stringent mitigation pathways reaching net zero CO2 emissions and the end of the century. For shorter time horizons, a similar central zero value applies, but with a smaller range (MacDougall et al., 2020). Experiments that ramped up and down emissions following a bell-shaped trajectory (MacDougall and Knutti, 2016a) show that when annual CO2 emissions decline to zero at a pace consistent with those currently assumed in mitigation scenarios (Huppmann et al., 2018; Rogelj et al., 2018b), the ZEC will already be realized to a large degree at the time of reaching net zero CO2 emissions (MacDougall et al., 2020).
(Hervorhebung duch uns) ↩︎ ↩︎ -
Seine Übersetzung:
“… Auf diese Weise tragen die Prozesse des Ozean-Kohlenstoff-Wärme-Nexus dazu bei die Quasi-Linearität und Pfadunabhängigkeit der Eigenschaften des TCRE (transient climate response to cumulative emissions of carbon dioxid) zu verstehen, der die Grundlage für die Nullemissionsverpflichtung (…) bildet (mittleres Vertrauen)”
Das Originalzitat lautet:
“… In this way, the processes of the ocean carbon-heat nexus help understand the quasi-linear and path independence of properties of TCRE, which forms the basis for the zero emissions commitment (ZEC; Section 5.5) (medium confidence).” ↩︎ -
McKinley et al.,2020: S. 4
“This change was due in part to a pause of growth in fossil fuel emissions from 1989 to 1994 when fossil fuel emissions were approximately constant at 6.1 PgC/yr.” (Friedlingstein et al., 2019; Sarmiento et al., 2010) ↩︎ -
Aus spektrum.de, Das große geochemische Experiment:
"(https://www.spektrum.de/kolumne/freistetters-formelwelt-wie-treibhausgas-verschwindet/1924474):
Vereinfacht gesagt beschreibt dieser Faktor das Verhältnis der relativen Veränderung des im Meerwasser gelösten Kohlendioxids zur relativen Änderung des insgesamt dort gelösten Kohlenstoffes (DIC oder »dissolved inorganic carbon«). Das Ausmaß, in dem gasförmiges Kohlendioxid aus der Atmosphäre im Meerwasser gespeichert werden kann, hängt aus chemischen Gründen unter anderem davon ab, wie viele Kohlenstoffverbindungen dort vorhanden sind (darüber hinaus auch noch von der Temperatur und dem Vermögen des Wassers, Säuren zu binden). Oder anders gesagt: Je niedriger der Revelle-Faktor ist, desto besser können die Ozeane als Speicher für Kohlendioxid wirken" ↩︎